Ludwig Unruh: Hauptsache Arbeit?
Eingeleitet wird diese 56 Seiten starke Broschüre mit einem Zitat von Peter Kropotkin: „Das Recht auf Wohlstand ist die soziale Revolution, das Recht auf Arbeit ist günstigstenfalls ein industrielles Zuchthaus.“
Somit wird sofort klar, dass der Autor den Begriff Recht auf Arbeit als orwellschen Neusprech identifiziert hat. Also als eine staatliche Sprachregelung, die den Zwang zur Arbeit, der in verschiedenen gesetzlichen Regelwerken unterschwellig zu finden ist, so umdeutet, dass er der Mehrheit der Bevölkerung als Segen erscheint.
Dies zeigt schon, dass es sich bei dieser Broschüre nicht um eine trockene wissenschaftliche Studie handelt, sondern um eine gut lesbare Zusammenfassung von Geschichte, Soziologie und Ökonomie der Arbeit. Hier wird anhand vieler kleiner Informationen die gängige Lehrmeinung bloßgestellt und der Arbeitsethos als das hingestellt, was er ist – ein Mythos. Wir bekommen mit, was uns in der Schule nicht beigebracht wurde. Na, was wäre das für ein Religionsunterricht, bei dem erzählt wird, dass im Bayern des 16. Jhd. 260 Feiertage galten und an vielen davon gar nicht gearbeitet werden durfte?
Was wäre das für ein Geschichtsunterricht, bei dem der Lehrplan vorsehen würde, dass über die Zwangsmaßnahmen gesprochen wird, die im 17. und 18 Jhd angewandt wurden, um die Menschen von der Landwirtschaft in die Fabriken zu zwingen? Auch die blutigen Kämpfe gegen diese Zwangsmaßnahmen wären doch mal erwähnenswert, oder?
Die Broschüre von L. Unruh bietet genau dieses und alles wird nochmal in einem gut verständlichen Resümee zusammengefasst. Im Gegensatz zu den kapitalistischen und marxistischen Lehrsätzen ist für Unruh der Arbeitszwang keine Option. Auch reicht es ihm nicht, die kapitalistische Ökonomie mit ihrer Wachstumsphilosophie, ihrer Entfremdung und ihrem Eigentum an Produktionsmittel abzulehnen. Sein Ausblick setzt Utopien an Stelle der Konkurrenz. Utopien des Miteinanders, welches sich durch Tätigkeiten auszeichnet, die durch Menschen selbstbestimmt und freiwillig ausgeführt werden. So könnte für viele Menschen ein erfülltes Leben ermöglicht werden.
Fazit: Gut lesbar und ein kurzweiliger Einstieg ins Thema Arbeit.
Ludwig Unruh: Hauptsache Arbeit – Zum Verhältnis von Arbeit und menschlicher Emanzipation
56 Seiten, Verlag: Syndikat-A, 3,50 Euro